Die Scheinselbstständigkeit und die Folgen
 

Die Scheinselbstständigkeit ist noch immer ein brisantes Thema, spätestens dann, wenn die Deutsche Rentenversicherung zu einer Prüfung ins Unternehmen kommt. Der Unternehmer, der sich erst zu diesem Zeitpunkt Gedanken über seine Beschäftigungsverhältnisse macht obwohl er Subunternehmer einsetzt, der handelt grob fahrlässig und kann dadurch u.U. die Existenz seines Unternehmens gefährden.

Die folgenden Ausführungen sollen Ihnen helfen eventuelle "Probleme" in Ihrem Unternehmen zu identifizieren und zu beheben. Bevor der Prüfer diese entdeckt.

Beginnen wir den häufigsten Argumenten der "Ertappten" und deren Würdigung durch die Prüfer:

 
Aus der Sicht der Beschäftigten
Aus der Sicht der Sozialversicherungsträger
   
Verwendete Argumente, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen sollen: Wie werde die verwendeten Argumente vom Prüfer beurteilt?
Es ist ein Gewerbe angemeldet

Die Anmeldung ist lediglich die Rechtsfolge einer selbstständigen Tätigkeit, sagt aber über deren Status nichts aus.
Die Gewebebehörden sind nicht berechtigt das Vorhandensein der Voraussetzungen einer selbstständigen Tätigkeit zu prüfen.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg führt hierzu aus: "Die bloße Anmeldung eines Gewerbes ist für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unerheblich

Rechnungsstellung mit Ausweis der Mehrwertsteuer Die Fakturierung stellt lediglich die Rechtsfolge einer selbstständigen Tätigkeit dar und sagt daher über den Status einer Beschäftigung nichts aus.
es wird für mehrere Auftraggeber gearbeitet Dies ist nur dann als Abgrenzungsmerkmal geeignet, wenn die Tätigkeit überhaupt im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausgeübt werden kann.

Die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse sind stets voneinander getrennt zu beurteilen. Dass mehrere Auftraggeber vorhanden sind, begründet nicht zwangsläufig eine selbstständige Tätigkeit.
beim Finanzamt mit Einkünften aus Gewerbebetrieb bzw. selbstständiger Tätigkeit veranlagt Das Landessozialgericht Baden-Württemberg führt hierzu aus, dass eine von der Finanzverwaltung vorgenommene Einschätzung für die Gerichte keine Bindewirkung entfaltet.

Das Finanzamt prüft eine Beschäftigung nur unter steuerrechtlichen Aspekten. Die Beurteilung nach dem Sozialversicherungsrecht obliegt den Sozialversicherungsträgern.
die freie Mitarbeit erfolgt im beiderseitigen Interesse Nach dem Landessozialgericht Bayern kann der "Vertragswille ... erst dann Bedeutung für die Qualifikation der Art der Beschäftigung haben, wenn die tatsächliche Ausgestaltung der Beziehung gleichermaßen für die Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung spricht."
Freie Zeiteinteilung

Nach einem Urteil des BAG vom 12.09.1996 ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts auf die Wünsche des Arbeitnehmers eingeht.
"Es ist sinnvoll, gerade Teilzeitkräfte nach ihren Arbeitszeiten zu befragen, denn bei Ihnen kann der Arbeitgeber gerade nicht davon ausgehen, dass sie im selben Maße wie Vollzeitkräfte zur Verfügung stehen.

Keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Dazu äußert sich das Landessozialgericht Schleswig-Holstein in einem Urteil vom 26.04.2006: "Die Argumentation, die Selbstständigen hätten keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Urlaubs- oder Krankheitsfall verkennt Ursache und Wirkung. Vielmehr ist zunächst nach den maßgebenden Kriterien eine Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit vorzunehmen und erst dann zu entscheiden, ob Anspruch auf Urlaubs- oder Lohnfortzahlung besteht."
Private Absicherung für Krankheit und Alter Dazu äußert sich ebenfalls das Landessozialgericht Schleswig-Holstein in einem Urteil vom 26.04.2006: "Ob die betroffenen Personen eine eigene Vorsorge für Krankheit und Alter etc. getroffen haben, ist ebenfalls unerheblich. Für die Bestimmung der Beitragspflicht sind die gesetzlichen Bestimmungen maßgebend und nicht, inwieweit sich die Personen abgesichert haben."

 

 
Die Definition der Scheinselbstständigkeit
 

Von Scheinselbstständigkeit ist dann zu reden, wenn ein Beschäftigungsverhältnis durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen als selbstständige Tätigkeit getarnt wird, obwohl die Merkmale einer Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegen:

"§ 7 (1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers

 

 

 

Abgrenzungskriterien zwischen Arbeitnehmer und Selbstständigem

 
Beschäftigung
selbstständige Tätigkeit
Art, Ort, Zeit und Dauer der Arbeitsleistung sind fremdbestimmt Arbeitsleistung ist eigenbestimmt
es wird die Arbeitszeit geschuldet es wird ein Arbeitserfolg geschuldet
weisungsgebunden

weisungsfrei

Anspruch auf Entlohnung Unternehmerrisiko
Aufgabenerfüllung in persönlicher Abhängigkeit Arbeit auf eigene Rechnung
Tritt nach Außen im Namen des Arbeitgebers auf Tritt nach Außen im eigenen Namen auf
Vergütung ist arbeitszeitorientiert Vergütung erfolgsorientiert
Keine eigene Werbung

Werbung zumindest im Branchenverzeichnis

Einsatz ausschließlich von Arbeitszeit Einsatz von Kapital, Maschinen usw.
Persönliche Erbringung der Arbeitsleistung Für die Erfüllung des Auftrags werden Hilfskräfte eingesetzt
Vertragliche Regelung der Arbeitszeiten Freie Zeiteinteilung
Fehlende oder eingeschränkte Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft Uneingeschränkte Verfügung über die eigene Arbeitskraft
Keine Betriebsstätte vorhanden Betriebs- und/oder Produktionsstätte vorhanden
 
Der Grad der persönlichen Abhängigkeit ist von der Eigenart der konkreten Tätigkeit bestimmt. Daher lassen sich in der Rechtsprechung keine für alle Beschäftigungsverhältnisse geltenden Kriterien aufstellen.

Es ist daher jeder Einzelfall unter der Würdigung aller Umstände zu prüfen.

Der Status einer Beschäftigung ergibt sich nicht aus den subjektiven Vorstellungen der Vertragspartner, sondern aus den tatsächlichen Verhältnissen.
   
  Folgen der Scheinselbstständigkeit
 

Wird bei einer Betriebsprüfung festgestellt, dass es sich bei Ihrem "Subunternehmer" um einen Beschäftigten im Sinne von § 7 SGB IV handelt, dann tritt mit der Bekanntmachung der Entscheidung die Beitragspflicht ein. Vorausgesetzt Ihr "Mitarbeiter" stimmt zu und es bestand für den Zeitraum von der Arbeitsaufnahme bis zur Bekanntgabe der Entscheidung eine ausreichend private Absicherungen für das Alter, die Pflege und für Krankheit (Krankenbehandlung, Krankengeld, Absicherung von Angehörigen durch Familienversicherung), die nach Art der Leistungen den gesetzlichen Versicherungen entsprechen. Ein weitere Voraussetzung ist auch, dass Sie oder Ihr Mitarbeiter nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sind. Es reicht schon der bedingte Vorsatz aus.

Hinweis: Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, "wenn die Beteiligten die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders großem Maße verletzen". Vorsatz ist das Wissen und Wollen eines rechtswidrigen Erfolgs. Beim bedingten Vorsatz hält der Beitragsschuldner eine Beitragspflicht für möglich, nimmt aber die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf.

Teuer wird es, wenn die aufgezeigten Voraussatzungen nicht erfüllt werden. Dann schulden Sie u. U. die Sozialversicherungsbeiträge seit der Arbeitsaufnahme bzw. maximal für die zurückliegenden 4 Beschäftigungsjahre (wurden die Beiträge vorsätzlich hinterzogen, dann beträgt die Verjährungszeit volle dreißig Jahre). Da Sie auch den Arbeitnehmerbeitrag schulden, sind dies gerne ca. 1.970 % des beitragspflichtigen Monatsentgelds. Sie können den abgeführten Arbeitnehmeranteil von Ihrem Mitarbeiter einbehalten, sofern dies überhaupt jemals möglich ist.

Nicht selten führen die Beitragsnachforderungen zur Insolvenzreife bei den betroffenen Unternehmen.


 

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